September 2019
Danke Dominique Klughammer für deinen "Brandbrief" und dafür dass du seiner Veröffentlichung hier zugestimmt hast.
Wir sehen uns am 20. September 2019 auf der Protestkundgebung am Königsplatz!
Martin Sell, Geschäftsführer jedernet GmbH
Liebe Freunde und Kollegen, liebe Familie,
liebe Umweltschützer wie auch Klimawandelskeptiker,
ich möchte Euch mit diesem Schreiben dringend ans Herz legen, am Globalen Klimastreik (Freitag, 20. September) teilzunehmen.
Bitte zumindest noch ein Stückchen weiterlesen, auch wenn sich bei manch einem/manch einer schon erste Gegenreflexe einstellen sollten...
Da ich mich seit Monaten intensiv und umfassend mit der Klima- und Systemkrise beschäftige und auch beruflich dafür recherchiere, presche ich damit mal vor – wissend, dass ich bei vielen von Euch offene Türen einrenne, aber einige nicht mal bis zu diesem Punkt kommen werden, da sie die E-Mail bereits nach der zweiten Zeile gelöscht haben.
Mir liegt es fern Euch zu belehren, ich habe vielleicht auch keine komplett neuen Erkenntnisse für Euch, aber ich habe so unendlich viel darüber gelesen und aus den unterschiedlichsten Richtungen zusammengetragen, dass ich inzwischen die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge begreife und meine, das erste Mal wirklich „klar“ zu sehen:
Wir bestreiten praktisch unseren kompletten Wohlstand auf Kosten der Natur und der sogenannten Dritten Welt. Die Freiheit der Starken ist dabei die Unfreiheit der Schwachen.
Eine Milliarde Menschen in den reichen Ländern verbrauchen 90 Prozent aller Ressourcen! Würden alle Menschen auf diesem Planeten so leben wie die US-Amerikaner, bräuchten wir sechs Erden. Aber auch wir Deutsche verbrauchen jährlich drei Planeten. Tja, die einen beißen ins Gras, die anderen in den Hummer. China kauft weite Teile Afrikas auf und nutzt das Land nur für sich. Gleichzeitig zerstören wir die lokalen Märkte auf dem afrikanischen Kontinent. Die gnadenlose Ausbeutung der Natur und der Menschen in den sogenannten Dritte-Welt-Staaten steht uns aber in keinster Weise zu! Die Europäer haben diese Ausbeutung der Natur ersonnen und in die Welt getragen - und gnadenlos davon profitiert. Noch immer profitieren wir davon. Daher ist es auch an uns zu zeigen, dass es anders geht – auch insbesondere deshalb, weil wir uns rühmen, eine führende Industrienation zu sein.
Es steht uns übrigens auch nicht zu, den Generationenvertrag einfach in den Wind zu schießen. Dieser Vertrag sieht vor, dass wir unseren Kindern und den Nachgeborenen die Welt in einem guten Zustand übergeben.
Wenn man nun also diese Haltung verinnerlicht und sieht, wie sehr wir auf Kosten aller künftigen Generationen leben, dann ist es tatsächlich völlig egal, ob oder zu welchem Anteil der Klimawandel menschengemacht ist. Das ist ein extrem wichtiger Punkt, den ich mit den Greta-Hassern oder Future-Spöttern gerne mal diskutieren würde.
Es gibt tatsächlich Leute, die Wissenschaft mit Meinung verwechseln, und reflexartig die Fake-News-Keule herausziehen – bei allem, was ihnen nicht in den Kram passt. Da wird irgendeinem Hetzer auf Facebook oder Twitter mehr geglaubt als Forschung und Wissenschaft. Doch den Leugnern/Skeptikern sei gesagt: Habt bitte den Mut, Euch wirklich ernsthaft zu informieren! Städte, die wieder lebenswert sind, und in denen man als Radfahrer und Fußgänger wieder saubere Luft zu atmen bekommt, sind auch für Euch gut, oder?
Der Future-Bewegung geht es nicht um „Öko-Terror“, sondern um eine Welt, in der wir auch in Zukunft leben wollen – und können.
Der Homo sapiens ist seit rund 150.000 Jahren auf diesem Planeten unterwegs, und in nur 150 Jahren hat er es fast „geschafft“, seine Lebensgrundlagen und vor allem die der Nachgeborenen zu zerstören.
Wir verprassen Erdöl und verheizen Kohle, als gäbe es kein Morgen. Dieser beispiellose Raubbau an der Natur ist sogar hoch subventioniert. Pro Jahr pumpen wir soviel Kohlenstoff in die Atmosphäre, wie die Erde früher in einer Million Jahren im Boden versenkt hat. Weitere Treibhausgase wie Methan oder Stickoxid heizen den Planeten auf. Die Folge ist ein Klimawandel, der sich zum ersten Mal in der Geschichte des Planeten weltweit und rasant fortschreitend entwickelt. Wollen wir da wirklich einfach zuschauen?
Polkappen und Gletscher schmelzen in einem Tempo, dass selbst Hiobsbotschaften, die gerade mal vor zwei Jahren herauskamen, schon wieder in den Schatten gestellt werden. Wälder sterben, der Regenwald brennt. Permafrostböden tauen in gigantischem Ausmaß auf. Die Folge: Küstenstädte wie die 32-Millionen-Stadt Jakarta, ganze Länder wie die Malediven oder Bangladesch versinken schon heute nach und nach im Meer. Experten sprechen von bis zu einer Milliarde Menschen, die bis zur Mitte dieses Jahrhunderts davon betroffen sein werden. Die Fluchtursachen (steigender Meeresspiegel, Versalzung der Böden, Ausbreitung der Wüsten, Dürren, Hitzewellen, kein Wasser) werden sich dann dermaßen potenzieren, dass die aktuelle Migration nur ein winzig kleiner Vorgeschmack ist.
Die Bienen, die Grundlage unserer eigenen Nahrung, sterben. Die Biomasse der Insekten ist bereits um fast 80 Prozent verschwunden. Gleichzeitig findet auf unserem Planeten das rasanteste Massenaussterben aller Zeiten statt. Wir verhätscheln unsere Hündchen und Kätzchen und lassen gleichzeitig ungeheure Tierqualen zu.
In nur 60 Jahren haben wir es geschafft, dass wir bald so viel Plastik wie Fische im Meer haben. Allein Coca Cola belastet den Planeten mit jährlich 110 Milliarden Einweg-Plastikflaschen! Ist das nicht alles UNERTRÄGLICH?
Menschen, die sich mit Klimaforschung beschäftigen, wissen: Im Erdsystem gibt es Kippelemente. Sind diese Tipping Points erreicht, tritt Unumkehrbares ein. Dann liegt nichts mehr in unserer Hand.
Wir holen uns unentwegt Kredit bei der Natur, bis die nichts mehr hergibt. Dann ist Ende. Warum verändern wir die Welt der Gegenwart so drastisch, dass für die Nachgeborenen die Zukunft eine Katastrophe zu werden droht?
Deutschland versagt auf ganzer Linie. Wir werden die selbst gesteckten Klimaziele für 2020 nicht erreichen. Also streichen wir sie gleich. Die Emissionen steigen weiter, den erneuerbaren Energien legen wir Fesseln an. Das ist kollektiver Wahnsinn.
ABER: Unsere menschliche Existenz hängt vollkommen von der Natur ab. Ist die Natur krank, wird es auch der Mensch werden. Wenn sich die Menschen noch als Teil der Natur begreifen würden, würden sie anders mit ihr umgehen.
Tja, Geld regiert die Welt. Der Shareholder ist der Regent unseres Planeten. Es geht um Rendite – koste es, was es wolle! Und die Gier der Menschen scheint unstillbar zu sein. Teile unserer Automobilindustrie handeln nach dem Muster der „Organisierten Kriminalität“ und die Politik winkt im Autofahrerland Deutschland alles durch. Freie Fahrt für Freie Bürger! Aber wer auf neue Herausforderungen mit betrügerischer Software reagiert, mit Lügen und Verheimlichungen, der ist ebenso wenig zukunftsfähig wie eine Regierung, die ihre Klimaziele einfach streicht.
Dabei gibt es so viele Erfolgsgeschichten und positive Vorbilder. 1987 demonstrierte die Welt bemerkenswerte Einigkeit zum Schutz der Ozonschicht, FCKW wurde kurzentschlossen weltweit verboten (ich weiß, dass es heute noch vereinzelt FCKW-Missbrauch in China gibt). Verbleites Benzin wurde verboten – was war das für ein Gewinn an Lebensqualität! Es läuft heute auch keine Frau mehr mit einem Pelzmantel durch die Stadt (selbst in München nicht ;-).
Schweden hat eine CO2-Steuer von 130 Euro pro Tonne – und die Wirtschaft boomt. Kopenhagen wird 2025 zur ersten CO2-neutralen Hauptstadt der Welt werden. Stockholm, Oslo oder London erheben eine Citymaut und sind als Städte wieder lebenswert. Wir müssen (in den Städten) endlich weg vom Individualverkehr und grundsätzlich wieder auf viel kleinere Autos setzen, denn der Ressourcenverbrauch bei SUVs und Co. (natürlich auch in der Elektroversion mit den riesengroßen Batterien) ist ein einziger Horror. ÖPNV-Preise und Bahn-Ticket-Preise sollten endlich deutlich gesenkt werden. Keine umweltschädlichen Subventionen mehr, sondern klimafreundliche – was denn sonst? Es ist unfassbar, dass es z.B. immer noch keine Flugbenzinsteuer gibt... Die Rahmenbedingungen dazu kann nur die Politik schaffen – auch deswegen ist es so wichtig, auf die Straße zu gehen!
Sich eventuell in Zukunft ein bisschen einzuschränken oder zurückzunehmen, ist für manche Menschen völlig undenkbar. Der Aufschrei ist grundsätzlich vorprogrammiert – wobei häufig gar nicht klar ist, ob es überhaupt eine Einschränkung sein würde (beispielsweise das überfällige Tempolimit, das viele Menschenleben jährlich retten würde, weniger Fleischkonsum, Coffee to go einfach sein lassen, Plastik vermeiden). Grenzen werden in einer rein aufs Wachstum ausgerichteten Welt abgelehnt. Das ist der Irrsinn unserer Zeit. Ich finde ihn widerlich. Auch das Beharrungsvermögen des Menschen ist gewaltig. Eine Mischung aus Trägheit und Selbstüberschätzung bringt ihn immer wieder davon ab, erforderliche Veränderungen zuzulassen: Das Imperium Romanum, Kodak und die Autostadt Detroit sind gute Beispiele dafür. Sind alle untergegangen.
Die Zerstörung unserer Lebensgrundlage zwingt uns nun zum Umdenken. Wir brauchen einen Bewusstseinswandel und einen Gesellschaftswandel.
Am 20. September können wir beim Global Strike Haltung zeigen. Schaut einfach im Netz, wo und wann in Eurer Stadt die Demo beginnt. Die Mittagspause kann man gut dahin verlegen, und wenn Euch der Chef nicht gehen lässt, dann sagt ihm, dass fast 2.500 „Entrepreneurs for Future“ ihrer kompletten Belegschaft dafür freigeben...
Mischt Euch ein, denn unsere Regierung schläft in dieser Sache seit fast 40 Jahren und betreibt auch im Moment dazu nur Kosmetik und Lobbypolitik.
Mischt Euch ein - wann, wenn nicht jetzt?
Make our planet great again!
Liebe Grüße und Danke (ich weiß, so viel Information ist für manche Menschen eine Zumutung;-)
Dominique
Quellen:
Für diese Zusammenfassung habe ich Infos aus den IPCC-Berichten des Weltklimarats, aus zig Studien und aus der Fachliteratur zusammengetragen. Ich wollte keine Doktorarbeit daraus machen, kann aber versichern, jede hier aufgestellte Behauptung einem seriös recherchierten Double oder sogar Triple Check unterzogen zu haben.
---------------------------
Dominique Klughammer ist Autorin und Regisseurin, sie lebt in München.
Den ganzen Text finden Sie auch auf ihrer Facebook-Seite.
Kunde: Die ganze Welt
Website